„… Ab da an begann ich, KZ-Überlebende, Partisanen und Partisaninnen so zu portraitieren, wie man ihnen begegnete; lebensfroh, freundlich, herzlich, offen, humorvoll und in Farbe. Mit dem Ziel, dem Betrachter einen engeren Bezug zur Aktualität zu geben. Die Ausstrahlung von Symphatie und Wärme der Portraits soll fesseln und Interesse wecken, sich mit den Personen und der Thematik Faschismus, Nationalsozialismus und auch aktueller Politik auseinanderzusetzen.“
Am Anfang dieses Projektes war nichts, außer einem gemeinsamen Gedanken, den ich mit Kamil Majchrzak, einem befreundeten polnisch-deutschen Journalisten teilte: „Wir müssen etwas mit Zeitzeugen machen!“. Ein Gedanke, der von völliger Naivität und Unwissenheit geprägt war. Ahnung von der Thematik war bei mir kaum vorhanden, bis auf ein paar Ausstellungen, Dokumentationen, Zeitzeugen-Veranstaltungen und ein paar angelesenen Büchern. Die Tatsache und auch die ausschlaggebende Motivation, dass Menschen, die Faschismus und Nationalsozialismus erlebt haben und direkt darüber berichten konnten, bald nicht mehr da sind, zwang allerdings zum Handeln. Wie soll die Erinnerung für zukünftige Generationen erhalten bleiben? Wem sollte hierbei eine zentrale Rolle zukommen? So zogen wir beide los zu den ersten Gesprächs-Terminen, ohne einen konkreten Plan oder Rahmen für das Projekt entwickelt zu haben. Jeder von uns hatte einen anderen Zugang, der geprägt war vom Aufwachsen in zwei unterschiedlichen Ländern und bei dem die individuelle Verfolgungs-Geschichte der Vorfahren und gesellschaftliche Diskriminierungserfahrungen in der Gegenwart auf unterschiedliche Weise über die Arbeit an dem gemeinsamen Projekt an die Oberfläche traten. Ein Teil der anfänglichen Schwierigkeiten und Probleme vor welche das Projekt und die Zusammenarbeit gestellt wurde, war auch der stattfindende Generationswechsel und die Suche nach Anerkennung als Nachkomme. Die Zusammenarbeit mit Kamil, der selbst Nachkomme eines Auschwitz-Überlebenden ist, musste eine andere Qualität erreichen. Da ich einen Zugang zu Themen am besten durch visuelle Eindrücke, direkte Erfahrungen oder Gespräche bekomme konzentrierte ich mich auf meine Arbeit als Photograph. Nach einer Weile wuchs allerdings die Angst, dass man die entstandenen Bilder und geführten Gespräche nie veröffentlichen könne, da kein Rahmen und Ziel für das Projekt vorhanden war. Ich verstand, dass jeder von uns seiner Verantwortung für das Thema auf unterschiedliche Weise zu realisieren versucht. Diese Bemühungen verlaufen nicht immer konfliktlos aber sie stellen eine Möglichkeit dar das Problem durch Übernahme persönlicher Verantwortung, ob als Photograph, Nachkommen oder Künstler zu bearbeiten.
Das erste Gespräch mit Władysław Koźdoń, einem Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald, war prägend für mich. Das Interview begleitete ich photographisch, um die Emotionen festzuhalten. Ich habe nichts verstanden, das Gespräch wurde auf polnisch geführt. In den kompletten 2 bis 3 Stunden habe ich mich nur auf Mimik und Gestik konzentriert, die dadurch entstandenen Bilder dokumentierten das emotionale Auf und Ab des Gespräches sehr gut.
Während der Bearbeitung dieser Bilder legte ich über ein Bild einen S/W-Filter, um den Inhalt des Bildes auf die Emotionen zu reduzieren. Es verging etwas Zeit, bis mir auffiel, dass ich etwas produziert hatte, was ein Spiegel dessen war, wie man in der Gesellschaft mit dem Thema Holocaust und Faschismus umging. Die Überlebenden wurden in aktuellen Portraits meist demütig, trauernd, weinend, ernst und nachdenklich dargestellt, sie wurden in den entstanden Portraits auf ihr Dasein als Opfer reduziert. Ich tat nichts anderes, die Portraits, die ich machte, spiegelten nicht die Person wieder, die ich getroffen hatte; aufrechter stabiler Gang, fröhliches Gemüt, Herzlichkeit und Offenheit. Auch der Sinn eines S/W-Portraits entzog sich mir komplett. Da gerade beim Betrachten eines S/W-Bildes der Zusammenhang zur inhaltlichen Aktualität des Bildes geschwächt wird oder ganz verloren geht.
Dabei ist gerade die Aktualität das Wichtigste, denn sie leben jetzt, man kann jetzt mit ihnen reden, sie jetzt noch treffen und ihnen zuhören. Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit sind immer noch aktuelle Probleme in der Welt, sie gab es damals und sie gibt es heute noch. Aus den Erfahrungen, von denen sie uns jetzt noch persönlich berichten können, können wir nur lernen, denn wir und alle Generationen nach uns tragen die Verantwortung dafür, dass es nie wieder geschieht.
- Hania Szelewicz
- Zygmunt Baumann
- Erhard Stenzel
- Ryszard Pyrzak
- Ottmar Rothmann
- Bertrand Herz
- Alexander Bytschok
- Eva Fahidi Pusztai
- Władysław Koźdoń
- Gilberto Salmoni