„Alte Liebe“ – Eine Bildgeschichte von der Ostsee

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Er:Kennen sie diese Pflanze?

Icke:Wat? Äh, wie bitte? Nein, die kenne ich nicht!

Er:Das ist eine …, sie hat ihren Namen daher, da sie sich so weich und samtig anfühlt

Icke:Tatsächlich, dabei sieht sie gar nicht danach aus. Danke!

Er: „Hab sie schon lange nicht mehr wachsen sehen und mich wundert es, dass sie gerade hier wächst. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag“.

Sommer, Hotel, Usedom, vor einigen Jahren, meine Freundin und ich, gemeinsam an der Ostsee.

Menschen beobachte ich sehr gern. Dieses Pärchen beziehungsweise diese Bildserie ist schon seit langer Zeit in meinem Kopf präsent. Die Bildserie ist in dem Moment entstanden, als ich die Geschichte dieses Pärchens verstanden hatte, zumindest einen Teil davon. Das, am Anfang eigenartig und komisch wirkende, Pärchen habe ich danach aus einer völlig anderen Perspektive gesehen.

Wir waren bereits zwei Tage in dem Hotel untergebracht und sind dem älteren Pärchen schon ein paar Mal begegnet, regelmäßig allerdings immer zum Frühstück und Abendbrot. Bei der Begegnung am dritten Tag ist das oben genannte kurze Gespräch entstanden. Ich hatte mich erschrocken, als der Mann plötzlich neben mir hockte, die Pflanze ansah, streichelte und mich indirekt ansprach. Die beiden waren eben noch zielstrebig auf dem Weg zu ihrem Frühstückstisch unterwegs.

Die ersten Begegnungen waren, bis dahin, immer gleich. Er, attraktiv, ruhige Ausstrahlung und schöne, weiße, volle Haare lief voran. Sie einen Kopf kleiner als er, auch attraktiv und mit weißen Haaren, lief ihm, fast wie abwesend, ferngesteuert und den Blick nur auf seinen Rücken fixiert, hinterher, kein Blick nach recht oder links.

An diesem Morgen hockte er nun neben mir, lenkte meine Aufmerksamkeit auf diese Pflanze, die ich ansonsten wahrscheinlich nie wahrgenommen hätte, wünschte uns noch einen schönen Tag und ging dann mit seiner Frau zum Frühstückstisch. Den Namen der kleinen Pflanze habe ich übrigens vergessen, aber den Ort wo sie steht würde ich wiederfinden, sie hat sich richtig schön weich angefühlt. Nebensache!

Am selben Tag begegneten wir uns ein zweites Mal, am Strand. Die beiden haben sich direkt neben uns gelegt. Sie haben sich umgezogen, danach gingen sie zum Meer, zum Baden, dachte ich. Aber sie standen erst mal nur da und schauten in die Ferne.

Dann gingen sie ins Wasser, so schien es mir. Die Stimmung kippte, plötzlich drehte sie sich um und wollte zurück. Er rannte ihr hinterher umklammerte sie mit beiden Armen am Bauch und zog sie mit aller Kraft ins Wasser. Sie schrie laut und wehrte sich mit Armen und Beinen. Die umliegenden Badegäste guckten, ich wollte gerade aufstehen, um die Situation zu klären. Sie waren bereits bis zur Hüfte im Wasser, da änderte sich die Stimmung erneut. Die Frau war auf einmal ruhig, er ließ sie los. Sie freute sich wie ein Kind über das kühle Wasser, sie bespritzen sich gegenseitig mit Wasser, schwammen eine kleine Runde, dann kam sie wieder aus dem Wasser.

Sie ging zielstrebig zu ihrem Handtuch, welches neben uns lag. Wie immer, nahm sie dabei keinen Blickkontakt zu anderen auf, guckte weder nach rechts oder links. Es wirkte so, als ob sie ihr Umfeld ignorierte, aber nicht absichtlich, sondern, so schien es mir, einfach in ihrer eigenen Welt lebte.

Am Handtuch angekommen trocknete sie sich ab und zog sich um. Ich wurde erst wieder auf sie aufmerksam, als ich das schadenfrohe Lachen einer ca. 12-jährigen Göre hörte. Der Junge lag mit seinen Eltern rechts neben dem alten Pärchen. Der Vater schlief, die Mutter las in der Regenbogenpresse. Und der Junge amüsierte sich köstlich darüber, dass die ältere Dame ihren Slip falsch herum angezogen hatte und dies anfangs nicht bemerkte.

Nachdem sie mühselig den Fehler korrigiert hatte, ging sie wieder zum Wasser und winkte ihrem Mann, der noch eine Runde geschwommen war. Er kam aus dem Wasser und beide standen wieder da und schauten in die Ferne, als ob nichts passiert sei.

In diesem Moment wirkten sie nicht mehr eigenartig oder komisch auf mich. Es war einfach ein älteres Pärchen! Er war ihre Konstante, sie war scheinbar krank, dement oder hatte Alzheimer. Daher lief sie ihm auch immer hinterher, er wies ihr den Weg zum Tisch und wusste, dass ihr das Baden im Meer gefiel. Alles andere außer ihm, auch, wenn sie schon seit einigen Tagen im Hotel waren, war ihr fremd! Die beiden wollten nicht auffallen, haben sich mit ihrer Situation arrangiert, zusammengehalten und das Beste daraus gemacht.

Mit diesem Erlebnis möchte ich die Monogamie nicht als die einzig wahre Form der Liebe hervorheben. Es gibt wirklich viele Formen der Liebe und jeder muss für sich die richtige und passende finden. Als ich die beiden verstanden habe, war ich gerührt, habe die beiden bewundert und sie aus einer völlig anderen Perspektive gesehen.

Aus der Perspektive, aus der ich auch Pärchen sehe, deren Hochzeit ( Konzept: „Liebesjeschichten“ ) ich photographisch begleiten darf. Solche „Liebesjeschichten“ sprechen mich immer wieder an. Jede Beziehung hat ihre Ecken und Kanten, die manchmal mehr hervorgehoben werden, als die schönen und gemeinsam durchlebten Zeiten.

Die beiden haben bestimmt einiges gemeinsam erlebt. Diese Bildserie ist daher für mich ein schönes Symbol, dass man, auf welcher Ebene auch immer, gemeinsam durch dick und dünn gehen möchte oder bereits gegangen ist.

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